Blickpunkt Kunst 2019


Unter der Rubrik Blickpunkt Kunst stellt die Galerie im monatlichen Wechsel Fotografien zum Thema Kunst und Wahrnehmung vor.
Zum wiederholten Mal zeigen wir im Kalenderjahr 2019 unter dieser Rubrik Werke des bekannten finnischen Fotografen Risto Siltala:

In puritanischer Weise fotografiert er auf seinen Kunstreisen pointierte Bildausschnitte aus dem Alltag des Hotellebens und setzt sie dem lauten Makrokosmos unserer Werbewelt entgegen.
Während wir gezielt unterwegs sind und auf Kunstreisen Kataloge wälzen, uns auf besondere Exponate konzentrieren, verlieren wir häufig den Blick für die erstaunlichen Phänomene des Alltags in unmittelbarer Umgebung. Das Spiel des Lichts an der Wand eines Hotelzimmers, in der Struktur eines Vorhanges kann, mit wachem Auge betrachtet, das Besondere im vermeintlich Banalen erscheinen lassen.

Die künstlerische Absicht von Risto Siltala korrespondiert mit Aussagen in Texten von Robert Musil, Thomas Mann oder auch von W.G.Sebald, dem er sich seelenverwandt fühlt. Wir setzen ausgewählte Zitate in Kontext zur Fotografie.

November 2019

"Denn jedesmal, wenn ihn seine Reisen in Städte führten, mit denen er durch keinerlei Geschäft verknüpft war, liebte er sehr das daraus entstehende besondere Gefühl der Einsamkeit, und selten war es so stark gewesen wie dieses Mal. Er hatte die Farben der Straßenbahn, der Wagen, Auslagen, Tore, die Formen der Kirchtürme, Gesichter und Hausfronten gesehn, und ob sie auch die allgemeine europäische Ähnlichkeit zeigten, flog doch der Blick über sie hin wie ein Insekt, das sich über ein Feld mit fremden Lockfarben verirrt hat und sich nicht niederlassen kann, obschon es das tun möchte. Dieses Gehn ohne Ziel und deutliche Bestimmung in einer lebhaft mit sich selbst beschäftigten Stadt, diese gesteigerte Anspannung des Erlebens bei gesteigerter Fremdheit, die noch durch die Überzeugung verstärkt wird, daß es auf einen nicht ankomme, sondern nur auf diese Summen von Gesichtern, diese vom Körper gerissenen, untereinander zu Armeen von Armen, Beinen oder Zähnen zusammengefaßten Bewegungen, denen die Zukunft gehört, vermag das Gefühl zu wecken, daß man sich als noch ganz und geschlossen für sich wandelnder Mensch schon geradezu unsozial und verbrecherisch vorkommt; aber wenn man dem dann noch weiter nachgibt, kann unversehens auch eine so törichte leibliche Annehmlichkeit und Verantwortungslosigkeit daraus entstehn, als gehöre der Körper nicht mehr einer Welt an, wo das sinnliche Ich in kleine Nervenstränge und -gefäße eingeschlossen ist, sondern einer von unwacher Süße durchfluteten."

Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, Zweites Buch

© Risto Siltala (2019), Finnland




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