Lothar Quinte

Farbe und Raum - zum Tode des Malers Lothar Quinte

Er hatte einen Traum: Er wollte unbedingt Maler werden. Sein Vater respektierte diesen Wunsch und schickte ihn zu einem Malermeister in die Lehre. Vier Jahre lang wusch Lothar Quinte Decken ab, spachtelte, pinselte. Das war in den späten dreißiger Jahren, also zu einer Zeit, in der die Künstler sich anpassen oder auswandern mussten. Die Werkstatt des Malermeisters war da ein unverfänglicher Ort. Quinte hat dort, wie er später fand, die Malerei wirklich von Grund auf gelernt.
Nach dem Krieg hat Quinte seine Ausbildung auf der Kunstschule des Klosters Bernstein bei Horb abgeschlossen. Dort traf er auch HAP Grieshaber, dessen Schüler er wurde. Nach den Jahren der Blut- und Bodenkunst war die gegenstandsfreie, die absolute Kunst etwas Neues, Aufregendes. Quinte wollte unbedingt seinen eigenen Weg finden. Er versuchte also sich abzugrenzen "gegen die Generation, die vor uns war: Baumeister, Nay, Fritz Winter. Im Abgrenzen hat man sich erkannt und den eigenen Weg gefunden."
Der eigene Weg war zunächst eine gestisch expressive Malerei. In den frühen 60er Jahren wird die Malerei dann meditativer, es entstehen die "Fensterbilder", bei denen eine transparente Mitte von einem Rahmen gehalten wird. Quinte verzichtet also auf jede Form der Gegenständlichkeit, dennoch spielt das Menschenbild in seiner Malerei eine Rolle: "Der Mensch ist ja auch ein inneres Wesen, und das ist genau das, was mich mehr interessiert als sein äußeres Erscheinungsbild."
Um 1960 zählt Quinte, der inzwischen im Elsass lebt, zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern. Er ist Gastdozent in Krefeld, Mitglied des Künstlerbundes, er gestaltet die Glasfenster für den Lübecker Dom und ein Wandbild für das Bonner Stadttheater. Als Ende der 60er Jahre die grellen Effekte von Op- und Pop-Art den Kunstmarkt erobern, bleibt auch Quintes Kunst davon nicht unberührt: Auf seinen Bildern ziehen nun farbige Balken ihre Spur, er wendet sich geometrischen Motiven zu.
Parallet dazu entstehen Siebdrucke, auf denen immer wieder das Kreismotiv variiert ist. Diese Blätter werden sehr populär - sie sind erschwinglich, dekorativ und sie verstören nicht. Doch Quinte hat das Gefühl, in eine Sackgasse geraten zu sein. Er zieht die Konsequenz und hört auf zu malen. In den Jahren 1975/76 unternimmt er eine Weltreise. Nach seiner Rückkehr knüpft er wieder an seine informelle Phase an. Es entstehen die weich gemalten "Farbräume", in denen - wie bei Rothko - die Motive, meist Rechtecke, zu schweben scheinen.
Lothar Quinte hat einmal gesagt: "Malen ist der Ausdruck innerer Befindlichkeit - Quatsch! Wenn mir's schlecht geht, male ich nicht schwarze Bilder, sondern gar keine." Am vergangenen Samstag ist er im Alter von 77 Jahren in seinem Haus in Wintzenbach im Elsass an Herzversagen gestorben.

Dorothee Müller
Süddeutsche Zeitung, 2. August 2000

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