Angela Glajcar: Terforation, 2012-024, Papier 300g, gerissen, 46,5 x 66,5 x 20 cmAngela Glajcar




Angela Glajcar: Papierarbeit - Arbeit mit Papier



von Sasa Hanten



Die Papierobjekte und Installationen der Mainzer Bildhauerin Angela Glajcar (Jahrgang 1970) sind der Erforschung von Raumerfahrungen gewidmet. Fein austarierte Gleichgewichtszustände zwischen Leichte und Schwere, zwischen Materialität und Immaterialität sollen im Betrachter eine emotionale Reaktion auf die unbelebten Objekte hervorrufen. Ihr Professor an der Akademie Nürnberg Tim Scott bescheinigte seiner Meisterschülerin eine außerordentliche "skulpturale Intelligenz". Diese Eigenschaft der Künstlerin, intelligente, also folgerichtige und strategische Lösungen zu finden, führte sie von der Arbeit mit Holz und Stahl zu ihrem heutigen Hauptwerkstoff Papier, das ihren besonderen Anforderungen entspricht. Auf den ersten Blick erscheint Papier leicht und verletzlich. Je nach Qualität und Schichtung ist es jedoch auch schwer und dabei belastbar. Da Papier aus natürlichen Bestandteilen zusammengefügt ist und vergänglich wie ein natürliches Gewebe, nimmt es eine Mittelstellung ein zwischen natürlich und künstlich. Anders als Holz oder Metall nimmt es unterdessen Farbigkeit auf und ist durchlässig ohne selbst farbig zu sein. Es lässt sich -zwar mit erheblichem Kraftaufwand- aber ohne Werkzeug bearbeiten und ist leicht anregbar, sodass die ohnehin von ihrer Anmutung schwebenden Arbeiten in Schwingung geraten und dazu einen bewegten Schatten werfen. Das in der Austellung "terra incognita. Weltbilder - Welterfahrungen" gezeigte Objekt "Terforation (langes Hochformat, schwebend) 2009" ist exemplarisch für Glajcars Schaffen. 26 feste Papiere, an den Außenrändern streng geometrisch zugeschnitten, sind mit je gleichem Abstand montiert. In die einzelnen Bögen sind Fehlstellen hineingerissen. Der Titel der Arbeit -und eines umfassenden Werkblockes der Künstlerin- Terforation greift diesen Umstand auf. Terforation leitet sich einerseits ab von Perforation (vom lat. foramen=Loch), also dem Durchlochen von Hohlkörpern oder flachen Gegenständen. Andererseits lehnt sich der von Glajcar etablierte Begriff an das lateinische terra=Erde an. Damit spielt die Künstlerin auf den Begriff terra incognita (unerforschtes Land; figurativ: Neuland) an, um deutlich zu machen, dass es in ihrer Arbeit um die Erkundung unerforschter Gebiete geht. Denn terra incognita umreißt die vage Kenntnis, die Vermutung um Wissen, das zur Zeit noch nicht genau definiert werden kann. Was sich der genauen Definition entzieht, das ist das Gebilde, der Raum, der durch die Hintereinanderschichtung der Papiere mit Aussparung entsteht. Um den Blick auf dieses Dazwischen, dieses Nichts, das durch die Einbindung in die Arbeit doch Etwas ist, zu lenken, kann man nie ganz durch die Arbeiten schauen, denn die Löcher liegen so hintereinander, dass der Raum ins Ungewisse führt. Dass wir eine Höhle oder einen Tunnel zu erkennen glauben als dieses Innere, basiert auf unserem Erfahrungshorizont. Die von der Künstlerin geschaffenen Räume haben jedoch keinen direkten Bezug zur figürlichen Welt. Weder haben wir es also mit einer Höhle noch einem Abbild von einer Höhle zu tun. Alles, worauf wir geworfen werden, ist Platons Höhlengleichnis. Wir sehen, was wir sehen können oder wollen.