Gloria Brand



Antikompositionell - kompositionell.
Zu den Arbeiten von Gloria Brand

Gloria Brands Relief-Collagen sind von struktureller und räumlicher Komplexität, die Strukturen sind selbst entworfen, im Siebdruckverfahren vervielfältigt oder gezeichnet und gemalt. Die so entstandenen Farbpapiere mit ihren hauptsächlich in Gelb, Rot, Blau, Grau, Weiß und Schwarz gehaltenen Entwürfen sind im Sinne des "all over" antikompositorisch. Sie werden bewußt als Muster angelegt. Aus diesem eigenwillig und abwechslungsreich entworfenen Strukturrepertoire wählt sie ihre teilweise geschnittenen und gerissenen Papiere aus und beklebt damit die vorher formal festgelegten Holz- und Kartonteile. Somit reagieren die Elemente beim Machen aufeinander, indem Grafisches und Malerisches, Buntes und Un- buntes, Groß- und Kleinteiliges in einem abwechslungsreichen Dialog zueinander gestellt werden. Flächen überlappen sich im Sinne einer vielschichtigen Tiefen- staffelung. Diese kommt besonders dadurch zustande, daß sie Holz- und Karton- teile ausschneidet und auf die Grundplatte so montiert, daß auch hier Über- schneidungen bewußt inszeniert werden. Einzelne Teile gehen über das Grund- format hinaus und lassen das Außenformat unregelmäßig vieleckig erscheinen. Gloria Brands Relief- Collagen sind komplex strukturiert, ohne daß sie kompliziert wirken. Aus den strukturell antikompositorischen Blättern entsteht ein komposito- risch determiniertes Relief mit unter- und übergeordneten quantitativ und qualitativ fixierten ästhetischen Schwerpunkten. Es lohnt sich für den Betrachter, "dahinter" zu schauen.
(Klaus Staudt, 1993)



Zum Thema Disziplin:
In den letzten Jahren hat die Atemlosigkeit der lebhaften Ensembles einem Durch- atmen Platz gemacht. Diaphane Schichten legen sich beschwichtigend auf das Stimmengewirr, mildern Kanten, besänftigen Kontraste, fassen Getümmel zu großzügigen Einheiten zusammen. Der Anlass zum Bau der sanft verschatteten Objektkästen war Brands Wunsch "Farben zu verändern, ohne den Pinsel zu bemühen". Die mit Transparentpapier eingezogene Schicht fungiert mithin nicht als Verschleierung, sondern als Schleier, der Dur in Moll transportiert. Wie ein zarter Nebel Alltägliches ins Traumhafte wandelt, bereichert das milchige Finish Brands Œuvre um die Qualität des Vagen, des Rätselhaften. Eine schwebende Mehrdeutigkeit hält zudringliche Blicke auf Distanz, lässt aber die darunter pulsierende Vielfalt durchschimmern. Die Kontraste scheinen lediglich zurückge- schoben, nicht aufgehoben. Die transparenten Ebenen modulieren die leicht entrückten Elemente ohne sie vollständig zu verdecken. Allenthalben lugen lebhafte Farben und widerspenstige Formen neben dem sanften Streulicht hervor - eine aktuelle Variante von Gloria Brands zentralem Thema der Vereini- gung des Unvereinbaren.
(Charlotte Lindenberg, 2007)



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